Wie wird heute die Farbgebung für ein historisches Gebäude entwickelt?
Ein interessantes Spannungsfeld öffnet sich im Bestand, oder in Ergänzung dazu, wenn eine angemessene Farbpalette einerseits den historischen Wert hervorheben und zugleich auch zeitgenössischen, ästhetischen Ansprüchen entsprechen soll.
Farbkonzepte für unter Denkmalschutz stehende Gebäude und Gebäude-Ensembles, sind besonders anspruchsvoll und dementsprechend von besonderem Interesse für uns. Im Dialog mit den Bauberatern der Denkmalpflege bestimmen wir Bereiche, die dem Befund entsprechen, die historische Farbstimmungen nachempfinden oder sich als Ergänzung eindeutig sichtbar vom Bestand abheben, sich aber harmonisch in den Gesamtkontext einfügen.
Historische Farbtöne stehen in engen Bezug zur Entstehungszeit, zu den damals vorherrschenden, technischen Möglichkeiten, zu den damaligen Kenntnissen der Pigmente und zu deren Erschwinglichkeit. Zur Fortsetzung des historisch gegebenen Bezugsrahmens wird das Farbkonzept möglichst originalgetreu und entlang den historischen Gegebenheiten aufgebaut. Oft sind dennoch Abweichungen und Anpassungen notwendig, die Gründe dafür unterschiedlich. Je nach Situation und Nutzungsvorhaben mag eine authentische Rückführung zu einer historischen Farbigkeit für die heutige Nutzung nicht mehr wünschenswert sein. Entsprechend werden «notwendige» Abweichungen und Anpassungen sorgfältig mit in Bezug zu den Originalfarben gestellt. Wenn beispielsweise für denkmalgeschützte Mietwohnungen, helle und neutrale Farben bevorzugt werden, und diesbezüglich Kompromisse möglich sind, entwickeln wir eine Farbpalette die sowohl den historische Bezug herstellt und gleichzeitig den ästhetischen Ansprüchen einer zeitgemässen Nutzung gerecht wird – eine Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl und Fachkenntnis erfordert, damit trotz der komplexen Herausforderungen ein stilsicheres Resultat herbeigeführt werden kann.
Die Bauforschung bringt Zeit- und Farbschichten zum Vorschein und ermöglicht diese zu analysieren. In der aktuellen Praxis der Denkmalpflege ist man bestrebt, alle verschiedenen Schichten zu zeigen, um die Geschichte des Gebäudes in all seinen Etappen zu zeigen. Für Bereiche angrenzend an die freigelegten, originalen Schichten, wird in der Regel ein ergänzendes Farb- und Materialkonzept entwickelt. Die historischen Bereiche werden dadurch sorgsam in ein neues architektonisches Gesamtkonzept eingebettet. Im ergänzenden Farbkonzept nehmen wir wesentliche Elemente aus vergangener Zeit auf. Die materielle Umsetzung orientiert sich ebenso an althergebrachten Anstrichstoffen wie Kalk, Leimfarbe, Ölfarben. Original- und Neufassungen sollen sich deutlich unterscheiden, damit historische Bauteile weiterhin als solche erkannt werden können.